Erschienen bei: n-joy.de in Kooperation mit Anne Chebu
Ununterbrochen klingelt sein Handy, immer wieder werden Hände geschüttelt und Visitenkarten ausgetauscht. Für den Hamburger Musikmanager Tim Dollmann sind die vier Tage des Reeperbahn Festivals mit die arbeitsreichsten im ganzen Jahr.
„Hier trifft sich alles was Rang und Namen hat. Man macht mehr Geschäfte als im ganzen restlichen Jahr zusammen“, sagt Dollmann. Wieder ein Anruf. „Ja klar, ab 16.30 Uhr im Studio. Super.“ Am anderen Ende der Leitung: Tom Hugo. Einer der bekanntesten und erfolgreichsten Texte-Schreiber Europas. Der Norweger feilt sonst mit der Pop-Band a-ha an ihren Texten. Doch jetzt ist auch er in der Stadt.
Beim Reeperbahn Festival trifft sich die gesamte Branche. Perfekt für Verhandlungen, neue Deals – es gibt keinen besseren Platz zum Netzwerken. Tim Dollmann ist beim Festival auch Strippenzieher. Gerade hat er Hugo und seine Newcomer-Sängerin Miss NatNat zusammengebracht. Auch ihr soll Alt-Meister Hugo beim Texten über die Schulter gucken. „Um 16.30 Uhr treffen sie sich im Studio. Da müssen wir jetzt los. Danach soll ich mir da noch eine Newcomer-Band anhören.“
Meet & Greet im Table-Dance-Schuppen
Dollmann ruft ein Taxi. Wieder ein Anruf. „Dollhouse, 19 Uhr? Könnte knapp werden, aber ich versuche zu kommen.“ Dollmann legt auf. „Das wäre wichtig, wenn wir das nachher noch schaffen. Da treffen sich wirklich alle“, sagt der 37-Jährige. Meet & Greet im Dollhouse, dem bekannten Striptease-Schuppen auf der Großen Freiheit – das gibt‘s nur in Hamburg während des Reeperbahn Festivals.
Klassentreffen Reeperbahn
16.30 Uhr Hamburg-Altona. In einem Hinterhof betritt Dollmann das Tonstudio. Hier nehmen sonst Jan Delay und Udo Lindenberg ihre Platten auf. Heute soll er sich „B-Seite“ anhören, eine junge Band aus Hamburg. Bandmitglied Alex hat mal ein Praktikum in Dollmanns Firma GDMP gemacht, man kennt sich. Das Reeperbahn Festival ist wie ein großes Klassentreffen. Dollmann lehnt sich ans Mischpult: „Dann lasst mal hören.“ Mit dem Kopf beginnt er zum Takt zu nicken, seine Füße wippen mit. „Hat mir gut gefallen“, sagt Dollmann. Ob es für eine Zusammenarbeit reicht? „Wir bleiben in Kontakt.“
Dollmann als Strippenzieher
Im Nebenraum hat Miss NatNat schon die Gitarre gezückt, diskutiert angeregt mit Tom Hugo. Ende des Jahres soll ihre erste Platte rauskommen, der Feinschliff an den Texten fehlt noch. „Es ist nicht selbstverständlich, dass die beiden sich hier treffen können. Aber das Reeperbahn Festival bringt die Leute alle an einen Ort“, sagt Dollmann. Ein kurzer Blick auf die Uhr, er muss weiter. Das Dollhouse ruft, die Veranstaltung hat schon angefangen.
„In diesen Tagen ist Hamburg die Musikhauptstadt Nummer 1, noch vor Berlin.“
Wo sich sonst die nackten Frauenkörper an der Stange räkeln, trifft sich heute die Musikszene. Das Licht ist schummrig, Dollmann macht sich ein Wasser auf, zündet sich eine Zigarette an. Mehr als 2.500 Business-Leute sind dieses Jahr beim Festival dabei, sagt er. Im letzten Jahr seien es nur 500 gewesen. Wieder Visitenkarten, wieder Hände schütteln, wieder Telefonate. Sein Handy-Akku ist nur noch bei 30 Prozent. Mittlerweile ist kurz vor zehn. Dollmann verabschiedet sich.
Vor knapp 16 Jahren hat Dollmann zusammen mit Jan Delay das Hamburger Musiklabel Eimsbush gegründet, mittlerweile sucht er Talente auf eigene Faust, ist selbstständiger Musikmanager und veranstaltet nebenbei Events wie „Beats auf der Bahn“ in Hamburg. Er ist immer auf der Suche nach neuen Künstlern für sein Portfolio. Momentan sind es fünf Musiker, die er managed.
Konzertmarathon am Abend
Drei Konzerte stehen heute auf seiner Liste, drei Bands noch ohne Manager in Deutschland. Eine Booking-Agentur hat Dollmann gebeten mal vorbeizuschauen. „Vielleicht ist was dabei“, sagt er. Erste Station: das Imperial Theater. Hier soll die Indie-Pop-Band Ásgeir Trausti auftreten, eine norwegische Nachwuchs-Band. Als Dollmann in die Straße einbiegt, kommt ihm das Publikum aber schon entgegen – Konzert verpasst. „Macht nichts, die sollen eh nicht so toll sein“, sagt Dollmann. Er zuckt mit den Schultern.
Eine Zigarettenlänge später stehen Highasakite auf der Bühne. Nach fünf Minuten: Der Blick auf sein Handy, nach zehn Minuten verlässt Dollmann das Gebäude. „Die passen nicht in mein Portfolio“, sagt er und geht. Für ihn reichen Musikschnipsel der Künstler, um zu erkennen: Da steckt was hinter – oder auch nicht. Letzte Chance auf einen Deal: Mit der U-Bahn geht’s ins Knust. David Lemaitre tritt auf. „Von dem halte ich sehr viel“, lässt Dollmann vorher wissen. Das Konzert hat schon begonnen, Dollmann holt sich eine Limo an der Bar und stellt sich nach ganz hinten in die Dunkelheit. Wieder das leichte Kopfnicken, wieder das Fußwippen. Dann Applaus – zum ersten Mal an diesem Abend.
Deal eingefädelt – Gute Nacht!
„Gefällt mir gut“, sagt er. Kurz nach Mitternacht ist der Gig vorbei. Dollmann trifft sich mit dem Künstler im Backstage-Bereich. Der erste Kontakt ist wichtig, beide Seiten scheinen zufrieden. Ein Handshake zum Abschied. Das könnte was werden. Dollmann guckt auf sein Handy. Das Display ist schwarz – Akku leer. Für das Gerät ist der Abend vorbei, für Dollmann noch nicht ganz. Ein letztes geschäftliches Treffen in der Schanze, dann geht’s ins Bett. Mittlerweile ist es halb drei. Kurze Erholungspause, aber morgen geht er weiter, Dollmanns Terminmarathon.